#18 - Unser erster Impact Report: Ein persönlicher Erfahrungsbericht (1/4)
Voller Begeisterung spreche ich seit 1 1/2 Jahren von Shareholder Engagement und der Nutzung von Aktionärsrechten, um Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zu transformieren. Die Mission von Finance 4Future war es immer, der Wirkung von nachhaltig Investieren auf die Schliche zu kommen. Beim Verfassen des ersten Impact Reports für unsere Anlagestrategien bei der WertWende gab es positive und negative Eindrücke. In diese Eindrücke, in unser Ergebnis, die aktuellen Beschränkungen und weitere Pläne für die Zukunft möchte ich hier einen Einblick geben. Aber erstmal: warum das Ganze?
Das Thema Wirkung bei Nachhaltig Investieren ist gar nicht so einfach und wird oft zu naiv betrachtet. Prof. Waltz von der Uni Mannheim bringt es auf den Punkt: "Effiziente Märkte arbitrieren jegliche Nachhaltigkeits-bemühungen weg". Eugene Fama schafft 1974 die Grundlage für die moderne Kapitalmarkt-forschung mit seiner Markteffizienzhypothese. Sie besagt, dass der Kapitalmarkt effizient darin ist, Kapital an die Stelle zu leiten, wo es am meisten Rendite bringt. Aus dem Existenzgrund von ETFs schlussfolgert sich leider ebenfalls, dass es nichts bewirkt, als nachhaltig motivierte:r Investor:in gezielt Aktien grüner Unternehmen zu kaufen und aus braunen Unternehmen zu deinvestieren.
Ganz anschaulich lässt sich das daran erklären, dass die Aktie, die Du über deinen Broker oder auch über einen Fonds oder ETF an der Börse kaufst, von jemand anderem verkauft wird. Die Börse ist ein sogenannter Sekundärkapitalmarkt. Hier zirkulieren Wertpapiere im Kreis, ohne dass das Unternehmen, das die Aktie ursprünglich ausgegeben hat, um Kapital aufzunehmen, das überhaupt mitbekommt. Die Hoffnung nachhaltiger Investoren war es nun, durch die erhöhte Nachfrage an Aktien grüner Unternehmen, deren Aktienkurse nach oben zu drücken, was dem Unternehmen tatsächlich bei seiner weiteren Finanzierung helfen würde.
Sind Märkte aber effizient, wird dieser Effekt instantan ausgeglichen und zunichte gemacht. In dem Moment, in dem der Aktienkurs eines grünen Unternehmens durch dieses veränderte Investorenverhalten steigt und der Kurs von braunen Unternehmen sinkt, würde ein nicht nachhaltig motivierter Investor, der zuvor neutral in alle Unternehmen investierte, sofort die Aktie des grünen Unternehmens zum unverhältnismäßig hohen Kurs verkaufen und die nun günstigere Aktie des braunen Unternehmens nachkaufen. Das wurde auch von mittlerweile einigen empirischen Untersuchungen bestätigt siehe [1], [2], [3].
Die Lösung?
"Don't walk away". Dieser Leitspruch beschreibt die anwachsende Bewegung vor allem im institutionellen Investorensegment, eben nicht aus braunen Unternehmen zu deinvestieren, sondern gerade dort als Aktionäre und Eigentümer zu bleiben und die mit diesem Status einhergehenden Rechte zu nutzen, um Unternehmen zu transformieren.
Statt verkaufen, heißt es nun Engagement betreiben. Statt Greenwashing gilt es nun vor Impact-Washing auf der Hut zu sein. Schon ersteres stellt viele vor eine nicht bewältigbare Heraus-forderung; zweiteres wird noch komplizierter. Während die Nutzung der Stimmrechte von Fonds und ETFs noch recht einfach nachvollzogen werden kann, ist die Engagement-Arbeit darüber hinaus sehr schwer zu erfassen. Es gibt keine standardisierte Form der Berichterstattung. Es größtenteils nicht mal objektive Metriken, in denen man diese Arbeit überhaupt erfassen könnte.
Nichtdestotrotz gibt es bereits einige strahlende Beispiele von Shareholder Activism: Allen voran Engine No. 1, die drei Aufsichtsratplätze des Ölkonzerns ExxonMobile neu besetzten. Die Bank für Kirche und Caritas, die dafür sorgte, dass das Land Nigeria der Biowaffenkonvention der United Nations beitraten. Ein weiteres Beispiel der Bank für Kirche und Caritas zeigt schon, wie schwierig die Wirksamkeit von Engagement zu messen ist: jahrelang betrieben sie Engagement mit der brasilianischen Regierung unter Bolsonaro gegen die Abholzung des Amazonas. Trotzdem wurde dieser in Rekordraten abgeholzt. Engagement-Chef Tommy Piemonte erzählte uns im Podcast-Interview aber von einer NGO-Vertreterin, die zu ihm meinte "wir wissen nicht, wie viel schlimmer es gewesen wäre, hättet ihr nicht Engagement betrieben".
Hier gilt es nun glaubwürdige Engagement-Strategien in den Nachhaltigkeitsberichten und teils sogar Impact Reports zu finden, die inzwischen fast jeder Fonds- und ETF-Anbieter jährlich raus-bringt. Während ich immer schon jedem und jeder Privatanleger/in offen gesagt habe, dass sie rein finanziell mit einem ETF-Depot aus 80/20 MSCI World/ Emerging Markets bei einem kosten-günstigen Online-Broker besser fahren, als wenn sie bei 90 % der Finanzberater beraten wären und selbst ich - nach meinen Beratungskosten - das nicht outperformen kann (außer vielleicht gezielt zur Altersvorsorge mit den Steuervorteilen einer fondsgeb. Rentenversicherung), wird das Thema wirkungseffektive Nachhaltigkeit damit einfach nicht leistbar für Privatanleger:innen.
Dafür braucht es Profis und genau das war die Rolle, in die ich gern geschlüpft bin. Das ist ein tatsächlicher Mehrwert, für den ich guten Gewissens auch meine Gebühren in Rechnung stelle. Deshalb gibt es die Anlagestrategien bei unserer Beratungsfirma WertWende, die wir auch öffentlich machen und Menschen, die sich selbst um ihre Finanzen kümmern wollen, zugänglich machen über unseren Fondsshop.
Und ebendiesen Mehrwert will ich natürlich auch nachweisen mit dem meines Wissens nach ersten tatsächlichen Investor Impact-Reporting. Im zweiten Teil geht es weiter mit meinem Vorgehen und den Anfragen, die ich an die Fondsgesellschaften gesendet habe.
[1] Berk, Binsbergen